So, jetzt erstmal eine Entschuldigung dafür, dass es schon einige Wochen her ist, dass ich den letzten Blogeintrag geschrieben hab. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass mich jetzt auch endlich nach zweieinhalb Jahren Virenabstinenz die Trendpest eingeholt hat und ich einige Zeit meine Stipendiums-Residenz daher nicht verlassen konnte. Und was schreibt soll man denn über eine Stadt schreiben, wenn man die Stadt gar nicht besuchen kann obwohl man mitten drin ist?
Jetzt war aber endlich wieder Zeit für Sachen und mit Sachen meine ich insbesondere den ersten Abend, den ich quasi als Kurator im Literaturhaus Dortmund hosten durfte. Ich muss dazu sagen, dass ich so gut wie nie etwas moderiere und dementsprechend nervös war ich auch vor Beginn des Abends. Zu meinem Glück sind aber die beiden geladenen Personen nicht nur äußerst begabt in Spoken Word und Lyrik, sondern auch im Moderieren, sodass sich der Abend eigentlich eh wie von selbst trug.
Das Thema des ersten von mir veranstalteten Abends war Spoken Word und die Eingeladenen waren die beiden Lyrik- und Gesprochenes-Wort-Schaffenden Temye Tesfu und Miedya Mahmod, sowie die Veranstaltungs-DJ Kleinradhülse. Nicht nur zwei Menschen mit absolut adäquatem Ypsilon-Gebrauch in ihren Namen, sondern auch Fixgestirne der deutschsprachen Spoken Word- und Poetry Slam-Landschaft.
Poetry Slam ist ja schließlich auch das, was mich eigentlich ursprünglich nach Dortmund verschlagen hat. Ich bin glaube ich 2014 oder 2015 das erste Mal im Ruhrgebiet aufgetreten und das erste mal war leider Gottes gleich ein ziemlicher Reinfall, weil durch einen Wirbelsturm mein Flug gecancelt wurde und der einzige Auftritt, den ich wahrnehmen konnte der in Duisburg war. Und gar nichts gegen Duisburg im Allgemeinen, aber sagen wir mal es war ein sehr netter Auftritt vor etwa 20 Leuten, die Spaß hatten, aber die Reisekosten hat es damals halt auch nicht wirklich gedeckt.
In den Folgejahren ergaben sich aber immer mehr Auftritte in Bochum, Dortmund, Herne, Oberhausen, Recklinghausen, Einige Andere-Hausens, wo auch immer die WortLautRuhr-Agentur oder auch andere Organisator:innen Spoken Word-Veranstaltungen aus dem Boden stemmen. Im Ruhrgebiet scheint beim Publikum eine nicht zu stillende Begeisterung für Gesprochenes Wort auf der Bühne vorhanden zu sein.
Das war letztendlich auch einer der Auslöser, wieso ich mich für das Stadt(be)schreiber-Stipendium bewerben wollte, weil ich die Szene hier schon ein bisschen kenne und sie mir über die Jahre sehr ans Herz gewachsen ist.
Miedya Mahmod habe ich das erste Mal so richtig 2019 erlebt, auf einem meiner letzten Auftritte in Deutschland. Das war bei einem völlig größenwahnsinnigen Event in der Elbphilharmonie in Hamburg vor (ich ließ mir sagen) mehreren tausend Leuten. Ich kann mich nicht erinnern jemals in meinem Leben eine derartige Panik vor einem Auftritt gehabt zu haben. Miedya schien es nicht unähnlich zu gehen, aber der Auftritt war natürlich wie immer flawless.
Temye Tesfu kenne ich schon etwas länger, vor allem aus verschiedenen Veranstaltungen in und um Berlin. Zuletzt trat Temye auch letztes Jahr bei einem Lyrikfestival im Odeon Theater in Wien auf und performte wunderschöne, dekonstruierende, teils aus bürokratischen Texten zusammen collagierte Textkaskaden, während draußen vor dem Theater ein rechtsradikaler Querdenkeraufmarsch durch den zweiten Bezirk irrte. Ich und die meisten anderen können sich nur glücklich schätzen Temye nun auch als Nachbar im Ruhrgebiet zu haben.
An besagtem Spoken Word-Abend gab es dann von den beiden auch gleich noch brandneue Texte zu hören, die zum Teil noch nie auf Bühnen aufgeführt wurden, so etwa eine freie Gedichtübersetzung Schrägstrich Neuinterpretation, die Miedya Mahmod für den ebenfalls empfehlenswerten Spoken Word-Podcast Stoff aus Luft (von Josefine Berkholz und Tanasgol Sabbagh) geschrieben hat. Darin übersetzt sie den Text der kurdischen Autorin Yildiz Çakar auf Deutsch und Englisch, sowie einige Passagen auch in einen anderen kurdischen Dialekt / andere kurdische Sprache.
Temye Tesfu beendete schließlich den Abend mit einem antifaschistischen Vater Unser, das Publikum sprach bzw. sang brav katholisch das Amen zum Gebet.
Und auch die Veranstaltungs-DJ Kleinradhülse soll hier nicht unerwähnt bleiben, die die Poetry Slam-Szene im Ruhrgebiet ebenfalls schon lange als musikalische Untermahlung begleitet, mal die Pet Shop Boys von links und dann wieder Antonín Dvořáks neunte Synphonie zweiter Satz von rechts reinknallt, dass es nur so eine Freude ist.
Wer Interesse an mehr Veranstaltungen dieser Art hat, sei hiermit komplett parteiisch auf die Website von WortLautRuhr verwiesen: https://www.wortlautruhr.com/uebersicht
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass man sich dort demnächst mal sieht.